Schuldhaftes Unwissen in Organisationen
Moralisches Fehlverhalten von Firmen und anderen Organisationen beruht oft nicht auf bösen Absichten, sondern auf Unwissen. Dringen, zum Beispiel, Erkenntnisse über Nebenwirkungen aus der Forschungsabteilung nicht zum Vorstand durch, verzögert sich der Rückruf eines Medikaments. Tauschen Polizeibehörden sich nicht über Spuren aus, bleibt der Serienmörder länger unentdeckt. Solches Unwissen ist dann schuldhaft, wenn die Organisation es besser hätten wissen können.
Die von der Volkswagenstiftung geförderte Nachwuchsforschungsgruppe untersucht, welche Erkenntnispflichten Organisationen haben, und welche Eigenschaften Organisationen auszeichnen, die schuldhaftes Unwissen vermeiden. Die Erkenntnispflichten von Organisationen werden durch die Linse epistemischer Tugenden und Laster betrachtet, deren Theorie in der Philosophie ausgearbeitet wird.
Zur Klärung, welche Eigenschaften Organisationen bei der Erfüllung ihrer Erkenntnispflichten unterstützen, wenden die Forschenden quantitative und qualitative Methoden an. Zunächst analysieren sie eine Datenbank über historisches Fehlverhalten von Unternehmen, um die Bedeutung schuldhafter Unwissenheit zu bewerten. Zweitens identifizieren sie durch Interviews mit Mitarbeiter/innen die Ursachen für schuldhaftes Unwissen von Organisationen. Drittens entwickelt die Forschungsgruppe einen Fragebogen, um epistemische Laster in Organisationen zu identifizieren.
Das Projekt wird dazu beitragen, eine wesentliche Ursache für Fehlverhalten von Unternehmen zu verstehen, und Organisationen und Aufsichtsbehörden dabei unterstützen, schuldhaftes Unwissen zu vermeiden.
- Dauer: seit 2021
- Projektleitung: Dr. Dr. Marco Meyer
- Drittmittelgeber: Volkswagen Stiftung (Freigeist Programm)