Sprachauffassungen
Auffassungen von der Sprache und ihrem Wirklichkeitsgehalt im Alten Testament und bei den ersten Grammatikern des Hebräischen
Das von Prof. Dr. Ernst-Joachim Waschke (Altes Testament) und Prof. Dr. Giuseppe Veltri (Jüdische Studien) geleitete Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Es soll zu einer systematischen Darstellung alttestamentlichen Sprachbewusstseins führen, wie es sich besonders in urgeschichtlichen, weisheitlichen und prophetischen Texten arktikuliert und in den altorientalischen und antiken mediterranen Kontext einordnet. Da sie als Texte der Bibel zu dem Korpus gehören, das als "heilige Schrift" wichtige Anstöße zu sprachphilosophischen Fragen gegeben hat, soll auch dargestellt werden, wie gerade die Grammatiker der hebräischen - also der biblischen - Sprache diese Fragen auf ihren Gegenstand anwendeten.
Zentrale Fragestellungen
Besonders ausführlich wird innerhalb des Alten Testaments im Sprüchebuch das Reden des Menschen thematisiert. In diesen der "Weisheit" zuzuordnenden Texten, wird vor allem Erfahrungswissen zusammengestellt. Es handelt sich also zuerst um einen eher deskriptiven Ansatz. Aber "Sprichwörter" sind Beobachtungen oder Vergleiche, die in verschiedenen Situationen anwendbar “ also auch generalisierbar “ sind und sein wollen. Diese "Übertragbarkeit" von Aussagen zeigt sich auch in ihrer oft bildhaft-metaphorischen Gestalt.
In Bezug auf das Sprechen des Menschen wird vor allem die Angemessenheit von Inhalt und Form und die große Wirkmacht von Sprache reflektiert. Letzteres führt direkt zu der im Projekttitel gestellten Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt: Wie ist die Wirkmacht der Sprache begründet? Sie wird in den Weisheitssprüchen vor allem als zentrale menschliche Aktionsform angesehen. Wie jede menschliche Handlung hat sie deshalb auch für ihn selbst spürbare Konsequenzen. Sie muss erklärt werden im Kontext des Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Ältere Modelle haben diese Vorstellung als quasi materiell gedacht begriffen: Das Wort, einmal ausgesprochen, wäre dann als eine eigenständige Größe zu denken, die unabhängig vom Sprecher wirkt. Demgegenüber kann die weisheitliche Charakterisierung des Menschen und seines Handelns stärker als systemisches Verständnis für innergesellschaftliche Wechselwirkungen zu verstehen sein. Entscheidend ist für diese Deutung, wie stark wörtlich man die verwendete bildhafte Sprache interpretiert.
Der Entstehungsprozess der biblischen Texte kommt erst durch die intensive Arbeit der Massoreten zu einem Abschluss. Mit Massora und den darauf folgenden ersten hebräischen Grammatikern erscheinen die ersten systematischen Beschreibungen der biblischen Sprache. Kontext ihrer Entstehung sind vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Rabbaniten und Karäern über die Bedeutung des biblischen Textes. Bei den hier zur Sprache kommenden grundsätzlichen Reflexionen über das Wesen von Sprache “ insbesondere der der Offenbarung “ werden vor allem zwei Traditionsströme miteinander verbunden: Einerseits klassisch-antike und über den arabisch-islamischen Diskurs rezipierte sprachphilosophische und grammatische Fragen und andererseits die rabbinischen exegetisch-hermeneutischen Konzepte. Beide Traditionen berühren sich in der Frage danach, ob Sprache eher menschlich geprägt (also veränderlich und damit fehlerhaft) oder göttlichen Ursprungs (also kosmisch-ewig und wahr) sei.
Auch die biblischen Texte legen Wert auf den Unterschied zwischen leicht verfälschender, unvollkommener oder mehrdeutiger menschliche Redeweise und der Klarheit oder Reinheit göttlicher Offenbarung (allerdings gerade auch mit einer schwer zugänglichen weisheitlichen"Tiefe"). Der Mensch kann sich dem annähern. Saadja Gaon beurteilt ganz ähnlich den Gebrauch des Hebräischen bei seinen Zeitgenossen von der Norm des biblischen Textkanons her, macht aber gleichzeitig damit deutlich, dass diese Sprache der Offenbarung schon abgeschlossen ist.
- Dauer: April 2009 - März 2015
- Projektleitung: Prof. Dr. Ernst-Joachim Waschke
- Drittmittelgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)